„Der Weltraum und seine unendlichen Weiten“ ist die Faszination, die Erwin Matys und Karoline Mrazek immer wieder hinaustreibt in die dunkle Nacht und an die dunkelsten Orte der Welt, um den schimmernden Sternenhimmel zu fotografieren. Was daraus entsteht, sind beeindruckende Bilder, die bereits in vielen renommierten Fachmedien zu sehen waren. Mit ihren Aufnahmen wollen die beiden Astrofotografen inspirieren und den Menschen die Schönheit des Sternenhimmels wieder bewusst machen. Denn Lichtverschmutzung wird immer mehr zum Umweltthema und auch der Mensch ist zunehmend davon beeinträchtigt. Zu diesem Zweck hat das engagierte Paar vor zwei Jahren das „project nightflight“ ins Leben gerufen. Im Rahmen des Vereins arbeiten international aktive Astrofotografen daran, den natürlichen Nachthimmel zu zeigen, um seine Erhaltung als Umweltressource international zu fördern.

Wenn die Nacht wirklich stockfinster ist und man sich an einem richtig dunklen Ort befindet, hat man tatsächlich das Gefühl, direkt in den Weltraum hinauszuschauen“, beschreibt Erwin Matys die bewegenden Momente seiner nächtlichen Expeditionen. „Ein ganz besonderes Erlebnis war, als ich in einer pechschwarzen Nacht einzig durch das Licht der Milchstraße meinen Schatten sah.“ Der heutige Marketingexperte und Buchautor begann schon im Alter von 14 Jahren – fasziniert von Astronomie, Kosmologie und natürlich Starwars & Co. – den Nachthimmel mit einem Fernrohr zu beobachten und später dann zu fotografieren.

Bei seiner Partnerin, Karoline Mrazek – tagsüber Fachübersetzerin –, war es der Vater, der ihr die Schönheit der Nacht näher brachte und damit den ausschlaggebenden Impuls setzte. „Meine intensivste Erinnerung an die Kindheit ist das Sternderlschauen mit meinem Vater im südlichen Niederösterreich in der Buckligen Welt. Der Himmel dort war wirklich fast schwarz und die Sterne unglaublich magisch. Ich wollte den Feldstecher am liebsten gar nicht mehr von den Augen nehmen“, denkt sie heute noch gerne zurück.

Es begann im Jahr 2000

„Mein liebstes Schulbuch war der blaue Atlas, weil auf der letzten Seite das Planetensystem mit den Entfernungen und ein paar Basisinformationen zu astronomischen Größen angegeben waren.“ In den Jahren danach beschäftigte sie sich viel mit dem Weltraum in Form von Science-Fiction-Büchern und -Serien. Als das Weltraumteleskop Hubble gestartet wurde, war sie gefesselt von den ersten Bildern. 
„Die Hubble-Bilder lassen einen ganz tief ins Universum eintauchen und ganz weit in der Zeit zurückblicken. Das ist einer der faszinierenden Aspekte am Sternenhimmel, dass das Licht, das wir sehen, schon so lange und so weit unterwegs ist. Manche Sterne, die wir sehen, existieren vielleicht gar nicht mehr“, beschreibt Karoline Mrazek.

Kennengelernt haben sich die beiden im Jahr 2000 gleichzeitig mit dem Anfang der professionellen digitalen Fotografie. Gemeinsam begannen sie wieder, den Nachthimmel aktiv zu beobachten und sich mit den vielen neuen, technischen Möglichkeiten der Digitalkameras auseinanderzusetzen. „Wir haben unsere speziellen Aufnahmetechniken selbst entwickelt“, erinnert sich Erwin Matys. „Dank vieler Foren, Informationen und engagierter Leute, die Freeware für die Astrofotografie der Community zur Verfügung stellen, konnten wir unsere Bilder immer mehr perfektionieren.“ Heute gehört das Paar zu den weltweit anerkannten Astrofotografen, deren Bilder in einschlägigen, internationalen Fachmagazinen sowie Webportalen abgebildet werden. Ihr Markenzeichen: der eigene hohe Anspruch an die Qualität der Bilder sowie der hyperrealistische Stil abseits der Mainstream-Astrofotografie.

Die Welt im Weltraum

Statt das Objekt zentral und bildfüllend zu positionieren, bleiben die beiden Astrofotografen auf dem Boden. Ihr Stil ist meist die Kombination von Galaktischem mit Terrestrischem. Das zeigt sich auch beim Coverbild „Omega Centauri“ mit dem Föhrenwald oder in La Gomera, wo sie den Moment abgewartet haben, als der Mond um sechs Uhr abends genau über der Nachbarinsel „El Hierro“ steht. „Wir versuchen immer, die Dinge im Kontext zu zeigen und bilden Objekte so ab, dass rundherum noch Raum ist oder ein Bezug zur Erde besteht. Erst diese Relation erzeugt den Eindruck von Weltraum und Größe. Wenn das Objekt bildfüllend aufgenommen wird, fehlt dies. Wir möchten aber mit der Astrofotografie einen hyperrealistischen Ästhetikanspruch verwirklichen. Man muss sich entscheiden zwischen dem Erlebnis in der Nacht und dem Foto.“

Vision & Realität

Ihre Astrofotos werden daher immer nur eine Illusion sein und sind keinesfalls Realität. Das Erlebnis in der Nacht ist nie so bunt und vielfältig, wie in den Bildern dargestellt. Das menschliche Auge nimmt in der Nacht Farben schlecht wahr und kann nicht so in die Tiefe gehen wie die Kameralinse. Die Milchstraße ist zum Beispiel mit freiem Auge zu sehen, wirkt jedoch eher wie ein graues Band, dabei ist der Nachthimmel eigentlich ziemlich bunt. „Die Farben entstehen dadurch, dass Wasserstoff, Gase oder Staub von Sternen angeleuchtet und dadurch – ähnlich wie bei Leuchtstoffröhren – zum Leuchten angeregt werden“, erklärt der Astrofotograf. „Der Nachthimmel sieht aber auf gar keinen Fall so aus, wie auf den Bildern dargestellt.“

Das fertige Bild besteht aus vielen verschiedenen Einzelaufnahmen, die über Stunden oder sogar mehrere Nächte aufgenommen und in der Nachbearbeitung überblendet werden. „Zusätzlich arbeiten wir mit unterschiedlichen Belichtungszeiten und Bildbearbeitungsprogrammen, um die entsprechende Tiefe zu erlangen“, so der Experte.

Tag & Nacht

Viel Tüftelei bedarf es nicht nur in der Nachbearbeitung der Bilder. Von Anfang an ist bei jedem Projekt sehr viel Planung sowie technische und zeitliche Koordination notwendig, da viele Faktoren zusammenspielen müssen. Zum Beispiel müssen die Wetterverhältnisse stimmen. Die Luftfeuchtigkeit darf nicht zu hoch sein, weil diese reflektiert – im Dschungel sind deshalb Astrofotos nicht gut möglich. Das technische Equipment muss im Voraus bedacht werden, vor allem wenn es sich um eine internationale Exkursion handelt. Dann spielen natürlich der Aufnahmeort und die Sternenkonstellation eine wichtige Rolle sowie die zu dem Zeitpunkt der Aufnahme bestehenden Lichtverhältnisse. Ideal ist eine Neumondnacht, da sonst das Mondlicht am Himmel alles andere überstrahlt.

Licht am Horizont

Doch nicht nur das helle Mondlicht kann die Nachtaufnahmen verhindern. Was sich im letzten Jahrzehnt nicht nur stark störend auf Aufnahmen und die sichtliche Schönheit des Sternenhimmels auswirkt, sondern auch auf die Tier-, insbesondere auf die Insekten- und Vogelwelt, ist die Zunahme an künstlichen Lichtquellen. Das Thema Lichtverschmutzung, auch Light Pollution oder Lichtsmog genannt, ist längst schon zum Umweltthema geworden. „Meist steckt gar keine böse Absicht dahinter, sondern Unwissenheit“, erklärt Erwin Matys. „Das Problem ist, dass sehr unbesonnen mit Licht umgegangen wird. Lichtquellen sollten idealerweise nach unten scheinen und nicht auf die Seite oder nach oben. Es gibt aber viele Lichtquellen wie Reklamen, Parkplatzbeleuchtungen, Kugellampen oder Kirchenbeleuchtungen, bei denen sehr verschwenderisch mit Licht umgegangen wird. Das heißt, von dem Schweinwerfer, der die Kirche beleuchtet, treffen nur ein paar Prozent der Strahlen den Kirchturm, der Rest geht in die Atmosphäre.“

Auch für Karoline Mrazek ist die Mission, die der Verein sich zum Ziel gesetzt hat, eine Sache, die ihr sehr am Herzen liegt. Statt sich in der dunklen Nacht zu fürchten, steht sie auf die nächtliche Stimmung draußen: „Auf das Zirpen der Grillen im Sommer, das Licht der Sterne und sonst aber völlige Dunkelheit, an die sich die Augen langsam gewöhnen“, schildert Karoline Mrazek. „Die Mission, wa-rum wir den Verein project nightflight gegründet haben, ist die Erhaltung dieses unmittelbaren Erlebnisses der Nacht. Mit den vielen verschwenderischen Beleuchtungen in besiedelten Gebieten geht immer mehr dunkler Nachthimmel verloren. Ich hoffe, dass wir mit project nightflight und den Bildern, die wir vom Nachthimmel machen, möglichst vielen Menschen zeigen können, wie schön die Nacht sein kann – ganz ohne Gartenbeleuchtung, Taschenlampe und Straßenlaternen.“

Lichtschutzgesetze

Dank einiger internationaler Aktionen auf verschiedenen Ebenen gibt es erste Reaktionen. In Slowenien reguliert ein Lichtschutzgesetz, dass der Nachthimmel nicht weiter vom Licht verstrahlt wird. Auf La Palma gibt es ein ähnliches Gesetz, in dem die Verwendung von Kunstlicht in der Nacht geregelt ist. Aber in weiten Teilen Euro-pas wurde noch nichts getan. „Es geht darum, mit dem, was wir tun, ein bisschen einen positiven Schub in die Richtung zu liefern“, erklärt Erwin Matys. „Wir sind nicht die Aktivisten, die auf Wolkenkratzer klettern und die Lichter kaputt machen. Es geht nicht um Negativbeispiele und Fotos von der Lichtverschmutzung. Unser Ansatz ist die positive Motivation. Wir machen einfach Bilder und zeigen, was schön und erhaltenswert ist und geschützt gehört. Das Ganze wird nur von Erfolg gekrönt sein, wenn die Öffentlichkeit mitzieht und die Nacht als erhaltenswert empfindet. Das schafft man nur, wenn man die Augen öffnet und nach oben richtet.“

Der Weg der Sterne

Die Augen nach oben richten kann man seit Mai heurigen Jahres in der Gemeinde Großmugl in Niederösterreich. Das Team von project nightflight hat dort einen 1,5 km langen Themenweg gebaut, der die Leute animiert, einen Spaziergang zu machen und den Sternenhimmel zu betrachten. Das Konzept vom Sternenweg hat sogar schon Nachahmer in Chattanooga, Tennessee, gefunden. Das freut die beiden österreichischen Astrofotografen besonders. „Unser Ansatz ist die Inspiration“, verdeutlicht Erwin Matys. „Wir machen jedes Projekt, jedes Foto nur einmal und freuen uns, wenn eine Idee nachgemacht oder weiterentwickelt wird.“

 

project nightflight

Das Team von project nightflight trägt im österreichischen Vereinsregister den Namen „Verein zur Darstellung und Erhaltung der 
Schönheit des Sternenhimmels“. Im Rahmen des Vereins arbeiten erfahrene und international aktive Astrofotografen daran, den unverfälschten Sternenhimmel bildlich zu präsentieren und seine Erhaltung als Umweltressource international zu fördern. Dafür werden regelmäßig Fachartikel und außergewöhnliche Fotos des Nachthimmels produziert und veröffentlicht. Um den natürlichen und von künstlichen Lichtquellen noch unbeeinträchtigten Sternenhimmel in Bildern darzustellen, sind aufwändige Expeditionen notwendig. Spenden und Sponsoren sind jederzeit willkommen.

Weitere Infos und Links:

Mehr Bilder und Infos: project nightflight

Schutz des Nachthimmels Österreich: hellenot.org

Schutz des Nachthimmels International: cost-lonne.eu


Sternenweg Großmugl: Sternenweg Großmugl

Astrofotos: ®Matys, Mrazek

Magazin Zoë 00/14

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